Generation vor verschlossenen Türen

Hallo! Ich bin Klimentina Gjorgjioska, ich bin 25 Jahre alt und lebe in Kruševo im Süden Mazedoniens. Das liegt drei Stunden von der Hauptstadt Skopje entfernt. Aufgewachsen bin ich in Prilep, einer sehr beschaulichen Stadt, obwohl sie mit 80 000 Einwohnern kein Kaff ist. Genau darin liegt aber das Problem, das junge Mazedonier haben, wenn sie nicht in einer Großstadt leben: Ihre Möglichkeiten sind regional begrenzt. Die Angebote, wie Jugendliche und junge Erwachsene ihre Freizeit verbringen können, sind, sagen wir „überschaubar“. Wer sich nach seinem Schulabschluss weiterqualifizieren will, muss in der Regel wegziehen. Obwohl er vielleicht lieber in der Heimat bleiben würde. Das ist sicher ein Problem, das junge Leute überall betrifft. Ich empfinde, meine Generation ist besonders benachteiligt, weil ihr Land kein Konzept für regionale Entwicklung hat.

Ich bin mit 19 Jahren von Zuhause ausgezogen. Inzwischen habe ich mein Studium der Politikwissenschaften beendet und arbeite für die YAK, die Junge Allianz Kruševo. Wir sind eine NGO, die europaweite Beispiele oder Initiativen aus allen Bereichen der Gesellschaft so anzuwenden versucht, dass sich daraus Perspektiven für junge Menschen in Südosteuropa ergeben. Wir wollen, dass sich hier was ändert. Die Gesellschaft ist aber enorm träge, und dass man nicht nur Forderungen stellen darf, sondern Einsatz zeigen muss, wollen viele nicht einsehen. So gesehen haben die mit Reformation nicht viel am Hut. Die Junge Allianz gibt sich deshalb das Motto:

„Wir sind die Stimme, nicht nur das Echo.“

Dass eine eigene Meinung zum Leben dazugehören muss, habe ich von meiner Mutter gelernt. Sie ist Journalistin und hat sich gewehrt, wenn die mazedonischen Medien in der Vergangenheit von der Regierung vorgeschrieben bekamen, worüber sie zu berichten hatten. Eine Meinung darf auch wehtun. Ich bezeichne meine Mutter deshalb nicht als Reformatorin. Aber sie hat mir gezeigt, was Werte sind.

Ich bedauere, dass Mazedonien im übrigen Europa so wenig bekannt ist. Ich wünschte, es wäre anders. Denn auch das bewirkt, dass sich etwas ändert in meinem Land: Dass man uns „sieht“. Mazedonien ist seit 26 Jahren eine unabhängige Republik und trotzdem ist der Beitritt zur EU für uns bislang ein Traum geblieben. Das ärgert mich. Wir haben uns einfach noch nicht weit genug bewegt. Im vorigen Jahr protestierten viele Mazedonier, vor allem junge Menschen, gegen Politiker, die ihr Amt missbrauchten, um unsere Rechte und Freiheiten einzuschränken oder die Wahlergebnisse fälschten, und die von der Regierung auch noch in Schutz genommen wurden. Die „Bunte Revolution“ ging von uns Jungen aus, aber viele Mazedonier unserer Elterngeneration haben uns unterstützt – oder uns den Protest zumindest nicht ausgeredet. Wir haben in unserem Land alle Voraussetzungen, die wir brauchen, um ein gutes Leben zu führen. Wir wollen uns einbringen, aber man muss uns zuhören.

„Reformation heißt auch, dranzubleiben.“

Meine Meinung ist, dass mein Land zunächst die hohe Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen muss. Sie liegt bei 49,5 Prozent. Mir ist klar, dass man als Absolventin oder Absolvent der Geisteswissenschaften größere Schwierigkeiten hat, einen passenden und auch noch gut bezahlten Job zu finden, als im IT-Bereich. Aber das darf kein Vorwand sein, Leuten den Zugang zum Arbeitsmarkt zu verbauen. Die Probleme einen Job zu finden, wirken sich nämlich auf unser Sozialleben aus. Wer weggeht, hinterlässt eine Lücke. Studentische Initiativen, kulturelle Projekte oder Treffpunkte sind dadurch gestorben. Wo es keine Basis gibt, entwickelt sich nichts weiter.

„Das Problem meiner Generation sind die verschlossenen Türen.“

Unsere neue Regierung ist seit drei Monaten im Amt und gibt sich Mühe, den Exodus der Jugend auszubremsen. Mal abwarten, ob das so bleibt. Es sind viele in die EU gegangen. Dort haben sie einfach eine Perspektive: Einen Job, die Aussicht auf finanzielle Unabhängigkeit, die Chance, zu gestalten. Mit der Jungen Allianz erforschen wir zum Beispiel diese „junge Migration“. Dann machen wir die Ergebnisse öffentlich und versuchen, uns eine Schneise in die kommunalen Behörden zu schlagen. Ich wünsche mir, dass Mazedonien Mitglied der Europäischen Union wird und ich fordere, dass unsere Regierung auf die regionale Entwicklung eingeht.

Fotos: YAK (3) / Flickr (4)

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