Ein Typ zum Bäume ausreißen

Während Martin Luther – angeblich – empfohlen hat, ein Apfelbäumchen als Investition in die Zukunft zu pflanzen, trifft sich Justin Müller regelmäßig mit Schülern im Moor, um Bäumchen auszureißen. Der junge Mann handelt im Namen der Vereinten Nationen. 

Moore sind unheimliche Orte. Im „Herrn der Ringe“ müssen die Hobbits Frodo und Sam eines durchqueren. Jeder Schritt ist gefährlich, überall lauern Geister. Doch der Hobbit Smeagol aka Gollum hält die Wanderer auf der sicheren Seite. Er kennt sich aus und geht vor ihnen her. Wie die Hobbits geben sich Menschen gerne der gruseligen Vorstellung hin, im Moor steckenzubleiben oder sogar mit Haut und Haar darin zu versinken. Justin Müller winkt ab, „maximal bis zum Knöchel gibt der weiche Moor-Untergrund nach. Moore sind besser als ihr Ruf.“

Justin ist so etwas wie ihr Botschafter. Für ihn sind Moore kein unwegsames Gelände, sondern „Teil meiner Identität geworden“, sagt er.  Als 14-Jähriger unternahm der Oldenburger mit Klassenkameraden einen Ausflug, nicht im Hobbit-Stil allerdings, denn es ging ins Hollweger Moor vor der Haustür der Jungs. Sie kannten sich aus. Sie gehörten der Umwelt-AG ihrer Schule an. Vom Ökosystem Moor kommt Justin seitdem nicht mehr los, wenigstens an dieser Stelle stimmt die Theorie des Versinkens. „Es prägt eine ganzen Region. Ohne das Moor würde mir etwas fehlen.“ Justin verändert, indem er bewahrt.

Gut für unser Klima

Klimaschutz ist jungen Menschen wichtig. Seine Generation sei offen für eine nachhaltige, umweltbewusste Lebensweise, findet er. Folge: „Man durchdringt ein Thema intensiver.“ Und landet bei der Artenvielfalt. Im Moor, versteht sich.

Justin Müller, inzwischen 25 Jahre alt und bei einem Energieversorger angestellt, unterstützt Schulprojekte zum Erhalt der Moore. Immer wenn es seine Zeit und sein Job erlauben, zieht er die Gummistiefel an und stapft mit Klassen durchs Feuchtgebiet. Mission: Bäume ausreißen. Fachbegriff: Entkusseln. Mit der Axt fällt die Gruppe junge Triebe und gräbt die Wurzeln aus, denn zu viele Bäume entziehen dem Moor die Feuchtigkeit. Es fällt trocken. Warum ist es so wichtig, dass der Boden feucht bleibt? Justin erklärt:

„Moore bremsen den Klimawandel, weil sie umweltschädliche Gase wie Kohlenstoff aufnehmen. Die gelangen nicht mehr in die Atmosphäre. Trocknet das Moor, treten viele Gase wieder aus und schädigen das Klima.”

Justin ist bis 2020 vom Bundesumweltministerium berufener Jugendbotschafter für biologische Vielfalt bei den Vereinten Nationen. Ein Ehrenamt, in dem er international für den Schutz der Moore wirbt. Ein ungewöhnliches Hobby auf noch ungewöhnlicherem Gelände. Schutze der Meere? Angesagt! Schutz der Wälder? Auf dem Schirm! Schutz der Moore? Unterbelichtet.

Häufig unterschätzt: Moore sind CO2-Speicher

Dass er schon beinahe die Hälfte seines Lebens durchs Moor stapft, hilft Justin, überzeugend aufzutreten. Auch, wenn er seine Heimat Niedersachsen kritisieren muss: „Seit 300 Jahren werden in Deutschland Moore entwässert, um sie als Felder zu nutzen. Früher nutzten die Menschen die getrocknete Torfschicht aus dem Moor zum Heizen. Heutzutage fällt diese Nutzung weg, stattdessen wird aus dem Torf Blumenerde gemacht. Dabei enthält er so gut wie keine Nährstoffe. Es gibt Alternativen, trotzdem wird Torf weiter abgebaut.“
Der scheinbar simple Tipp, den Justin parat hat, zeigt, wie schnell ein individueller Beitrag zum Schutz des Ökosystems Moor geleistet ist: „Torffreie Blumenerde kaufen! Steht auf der Verpackung.“ Schweißtreibender ist das Bäume ausreißen. Immerhin fällt die Entkusselzeit ins Winterhalbjahr. Da halte der Körpereinsatz mitunter sogar warm, ergänzt der junge Moor-Experte augenzwinkernd. Ein Workout, das für beide Seiten nachhaltig ausfällt: „Wie ein Wald kann ein Moor nachwachsen, wenn man ihm die Zeit gibt.“

Fotos: Privat / Nabu (2)

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