„Junge Franzosen sind zu wenig einbezogen“

Ich heiße Fabien Baudelet und bin 26 Jahre alt. Seit Anfang April organisiere ich die pro-europäische Demonstration Pulse of Europe in Amiens, weil mir die europäische Idee wichtig ist. Ich bin sonst kein Demo-Typ. Ich weiß, das ist eher untypisch für einen Franzosen. Aber der Brexit hat mir klargemacht, dass so ein Votum auch Frankreich treffen könnte – wenn man nichts dagegen unternimmt. Also unternehme ich etwas dagegen. Ich habe mich mit drei anderen Studierenden in meiner Heimatstadt Amiens zusammengetan und wir versuchen, den Menschen das Vertrauen in die Europäische Union zurückzubringen. Es ist schwierig, aber es bewegt sich etwas.

Mir gefällt, dass wir für etwas demonstrieren, nicht dagegen. Wir versuchen, konstruktiv zu sein. Mir ist der Einsatz für Europa als Wertegemeinschaft wichtig: Freiheit, Demokratie, Nachhaltigkeit, Rechtsstaatlichkeit, das sind einige der Werte, die meine Generation zu oft als selbstverständlich betrachtet, weil wir nicht darum kämpfen mussten. Bis jetzt.

Ich glaube fest an ein sozialeres Europa, was mehr Initiative in Bereichen ergreift, die den Alltag der Bürger betreffen. Das Problem der EU ist auch ein Kommunikationsproblem. Es löst sich, wenn die Mitgliedstaaten einen größeren Teil ihrer Souveränität übertragen. Danach sieht es momentan leider nicht aus.

Junge Franzosen werden zu wenig in politische Prozesse einbezogen. Frankreichs institutionelle und gesellschaftliche Strukturen sind sehr unbeweglich. Solange sich daran nichts ändert, werden wir einfach ignoriert. Ich fühle mich, wie viele junge Franzosen – ein Drittel der Bevölkerung – nicht genug vertreten.

Frankreich hat die EU mitbegründet, war aber nie sehr europhil. Das muss sich ändern. In einer globalisierten Welt kann man grenzüberschreitende Probleme wie Migrationsströme, Klimawandel oder Finanzflüsse nicht alleine lösen. Der Nationalstaat spielt bei uns eine so zentrale Rolle, dass viele Franzosen gar nicht an die EU denken. Das ist unser Fehler, finde ich. Und dass wir zu viel von unserem Präsidenten erwarten. Jeder kann sich einbringen. Ich finde es wichtig, dass Spitzenpolitiker auch aus einer Provinzstadt wie Amiens kommen. Emmanuel Macron ist aus Amiens. Ich werde am 7. Mai für ihn stimmen. Und das nicht nur, weil er und ich dasselbe Gymnasium besuchten und seine Frau auch meine Lehrerin war, sondern weil ich sicher bin, dass er frischen Wind in der Politik bringt. Ich stimme nicht zu 100 Prozent mit seinen Vorstellungen überein, aber mir scheint, dass er für Kompromisse und neue Ideen offen ist.

Eine Frau als Präsidentin würde sicher auch etwas bewegen und die Mehrheit der Franzosen befürwortet es, eine Frau als Präsidentin zu haben. Aber Marine Le Pen hat ein zu gefährliches Programm. Und sie hat mehrmals im EU-Parlament gegen Gleichberechtigungsmaßnahmen gestimmt. Das ist ein Widerspruch!

Ich bin beeindruckt, wie einige deutsche Politiker nach Werten, die zum Teil religiös geprägt sind, handeln. Politik braucht Anhaltspunkte. Ich selbst bin katholisch und finde, dass Werte wie Solidarität, Gemeinwohl, Subsidiarität, mehr Resonanz in der Politik Frankreichs haben könnten. Ich mag, wie sich Kirche in Deutschland gesellschaftlich einmischt und dabei einen wichtigen Beitrag zum Dialog leistet.

Wie Fabien Baudelet stimmen am 7. Mai bei den Präsidentschaftswahlen 21 Millionen Franzosen für den unabhängigen Kandidaten Emmanuel Macron, den „Spitzenpolitiker aus der Provinzstadt Amiens“. Das entspricht einer Zweidrittelmehrheit – und ist ein klares Bekenntnis zu Europa. Macron wird der jüngste Präsident in der Geschichte der fünften Republik. 

Fotos: Privat / flickr (1)

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