Die Klimawandlerin

In Hamburg unterzieht Lena Kühl Reformation dem Praxistest. Allerdings, um einen Wandel zu verhindern, den Klimawandel und die globale Erwärmung. Dafür hat sie nicht nur einen passenden Familiennamen und das richtige Fach studiert – Nachhaltigkeitswissenschaften – auch in ihrem Alltag bringt sie umweltbewusstes Leben unter: Die 28-Jährige fährt mit dem Rad zur Arbeit, sie schickt E-Mails über einen Ökostrom-Server, bummelt durch Second-Hand-Shops und ist Vegetarierin. Richtig, das Klimabüro des Kirchenkreises Hamburg-West/Südholstein leitet Lena Kühl außerdem! Es ist das einzige seiner Art in einer evangelischen Landeskirche in Deutschland. Kann Klimaschutz funktionieren, wenn er institutionell dort verankert wird, wo man ihn nicht erwartet?
Lena Kühl sagt:

„Jeder, der sich mit Reformation beschäftigt, muss Schnittmengen zwischen Kirche und gesellschaftlicher Wirklichkeit heute suchen – und finden. Für mich gehört Klimaschutz zu den neuen Aufgaben der Kirche dazu.“

Die gebürtige Aachenerin beantwortet damit auch, weshalb sich die Nordkirche und ihr Arbeitgeber den Klimaschutz auf die Fahnen schreiben und sogar ein Klimaschutzgesetz verabschiedeten. Mit dem Ziel, bis zum Jahr 2050 keine Treibhausgase mehr zu produzieren. Eine steile Vorlage. Vielleicht deshalb wurde das Gesetz am Reformationstag 2015 auf den Weg gebracht, im Gedenken an ein Ereignis, das einen Prozess beschleunigte, der an der gesellschaftlichen Wirklichkeit ausgerichtet war.

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Für Lena Kühl ist die 2016 neu geschaffene Stelle der erste feste Job nach dem Studienabschluss. Sie wird nicht gemessen an den Leistungen ihrer Vorgänger, das nimmt den Druck von der jungen Frau und lässt ihr einen Gestaltungsraum, der so groß ist wie der Kirchenkreis. Dass ihre „Berufung“ auf „ein großes öffentliches Interesse stößt, auch von nicht-kirchlicher Seite“, motiviert sie. „Und es beweist: Kirche ist ein Multiplikator.“ Das findet Lena entscheidend, denn

„Nachhaltigkeit im Alltag anzubringen, hat Grenzen, das bemerke ich auch bei mir. Um die Grenzen abzubauen finde ich es wichtig, mit anderen ins Gespräch zu kommen und die vielfältigen Ansätze für den Schutz unserer Umwelt, die es schon gibt, noch bekannter zu machen.“

Wenn sie Ideen sammelt, bespricht und vorantreibt, bedient sich Lena Kühl nicht am Bild von „Schöpfung bewahren“ – obwohl es inhaltlich zutrifft – stattdessen redet sie Klartext und arbeitet praxisnah: Sind Dienstfahrten nur mit dem Auto möglich? Falls ja, lohnt sich eine Fahrgemeinschaft? Können Räume in einer Gemeinde von mehreren Gruppen genutzt werden, so dass eine möglichst geringe Fläche beheizt werden muss? Wie läuft eine Dachdämmung ab? Darf der neue Kopierer teurer sein, wenn er weniger Energie kostet?

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Die Kritik, Nachhaltigkeit sei ein Elitenthema und hänge am Einkommen, entkräftet Lena schnell: „Nachhaltiger Konsum heißt, auch mal mit weniger auskommen zu können. Das schafft jeder. Bei Obst achte ich zum Beispiel immer auf Früchte, die der Jahreszeit entsprechen und möglichst regional sind. Nur die kaufe ich dann.“ Die Einstellung sei schon ein Beitrag, findet sie, „und dass sie nicht moralisch, mit erhobenem Zeigefinger kommuniziert wird“. In der Kirche, deren Image häufig genau das befürchten lässt, wandelt sich deshalb das Klima.

Fotos: Monika Rulfs

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