Raus mit der Sprache!

Ein Stück Papier gab den Anstoß – direkter geht der Einstieg ins Thema Reformation kaum. Doch statt vor einer Thesentür stand Moritz Sprandel im Hörsaal der Universität Heidelberg, wo ihm ein Flyer aufgefallen war, den Studierende aus dem vorherigen Seminar vergessen hatten: Ein Wettbewerbsaufruf, sich an Luthers Beispiel zu orientieren und Die Macht der Worte einzusetzen.

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So wie der Reformator mit seiner Bibelübersetzung und seinen eingängigen Redewendungen dafür sorgte, dass die Menschen des 16. Jahrhunderts genauer hinhörten oder selbst zum Buch griffen, so vielsagende Texte wünschten sich die Deutsche Gesellschaft in Berlin und die Staatliche Geschäftsstelle „Luther2017“ wieder. Von Studierenden. Moritz ließ sich darauf ein.  Sein Essay hat gewonnen.

moritzsprandelMit Luthers Methode und seiner Herleitung, die den Beruf zur Berufung erklärt, befasste sich der 27-jährige, gebürtige Hamburger im Studium. Dabei ist Moritz nicht etwa angehender Theologe, sondern künftig Gymnasiallehrer für Deutsch und Mathematik. Die eine Hälfte des Examens hat er schon gepackt. In einer Seminararbeit analysierte er zuvor, wie Übersetzungen die Interpretation von Worten beeinflußen. Da kam das Beispiel der bedeutsamen Bibelübersetzung Martin Luthers gerade richtig. „Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Martin Luther“, begann Moritz seinen Essay – sogar an die korrekte Übersetzung aus dem Griechischen hielt er sich. Denn das viel zitierte „am Anfang war das Wort“ müsste – ganz korrekt übersetzt – „im Anfang“ heißen. Moritz, der Nicht-Theologe, lacht, als er auf seine Altgriechisch-Kenntnisse angesprochen wird, und gesteht: „Ich war auf einem humanistischen Gymnasium.“

Sein Text beschreibt die Entwicklung der Sprache seit Luther wie einen Lebenslauf: Geburt, Kindheit und Jugend, Erwachsenenalter. Den Reformator macht er zu ihrem „Patenonkel“ und „Sprachrohr einer interkulturellen Gemeinschaft protestantischer Haltung“. Seine Schriften öffneten Welten, schrieben Geschichte, sie entzweiten aber auch die Geister. Moritz sagt:

„Die Reformation hat den Wert von Bildung forciert. Dass jeder Mensch Zugang zu Bildung erhält, ist bis heute ein Grundprinzip unserer Gesellschaft.“

Besonders sympatisch ist ihm, dass Luther auf Augenhöhe mit dem Volk sprach und schrieb, ohne abgehobene Formulierungen, in Worten, die wirkten. Mit einem Satz wechselt der Student in die Gegenwart und stellt fest:

„Jetzt ist vieles anders. Sprache hat sich emanzipiert und ist schon lange nur noch ihre eigene Herrin. Einflussreiche Machtzentren gibt es viele, Sprachrohre ihrer noch viel mehr. Die protestantische Kirche aber, die einzig und allein verlässlich „Luther“ spricht, findet immer weniger Gehör.“

Moritz‘ Biografie der Sprache endet nicht mit dem Tod. Stattdessen würdigt er trotz aller Medienphänomene wie Whats App und Twitter, den Verknappungen und Anglizismen, den Status des geschriebenen Wortes:

„Zu wertvoll ist den Menschen ihre Welt (…) was bliebe denn ihrer noch übrig, wenn man sie nicht mehr beschreiben, nicht mehr mit Beispielen und Bildern in Köpfe und Herzen projizieren könnte. Und das ist es doch, was uns Luther letztlich lehrt: Sprache ist nur so bunt und lebendig, wie wir sie uns gestalten, nur so voller Bilder und Ausdruckskraft, wenn wir sie damit füttern, nur so sehr Spiegel unsrer selbst und unsrer Welt, weil wir sie täglich dazu nutzen uns gegenseitig zu verstehen.“

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Wettbewerbs-Sieger Moritz Sprandel, eingerahmt von den Juroren, der zweitplatzierten Lena Frewer aus Gießen (3. v.l.) und Lucia Weiß (3. v. r.) aus Berlin, die Platz drei belegte.

Für das Jahr 2017 und danach wünscht sich der Preisträger eine Sprache, „die unsere Gesellschaft wieder transparenter macht und nicht weiter spaltet.“

„Man kann dieselbe Sprache sprechen und trotzdem ausgeschlossen sein.“

21597371893_27a9b34f6c_kDas Beispiel USA fällt Moritz Sprandel ein: „Donald Trump hat die Präsidentschaftswahl gewonnen, weil er so einfach sprach.“
Das Wort des Jahres 2016, „postfaktisch“, bestätigt, wie emotional Worte wirken. Wenn sie klar(er) gewählt sind, gelingt das auch mit den Inhalten. Als Lehrer kann sich Moritz auf die Reformation beziehen, indem er seine Berufung ernstnimmt. Das wird voraussichtlich wieder an näher an seiner Hamburger Heimat passieren.

Moritz Sprandels Essay wird als einer der zehn besten Beiträge des studentischen Wettbewerbs „Die Macht der Worte“ 2017 als Heft veröffentlicht.

Fotos: Deutsche Gesellschaft, Jan Roessel (1), Flickr (3)

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