Reformation heißt Umwandlung. So wörtlich wie der CVJM Bad Belzig im Fläming nimmt das Wort kaum jemand. Statt Thesen legt die Gruppe Taten vor, ein bisschen so, wie die Menschen vor 500 Jahren lernten, ihr Leben zu gestalten. Keine feste Burg, aber eine feste Adresse haben sich die Brandenburger gemeinsam geschaffen – in einem ehemaligen Döner-Imbiss.
Katharina Kautz hat einen kurzen Weg, wenn sie freitags nach Schulschluss einen Abstecher im offiziell noch namenlosen neuen Jugendclub macht. Der „Laden”, wie sie ihn nennt, liegt auf der gegenüberliegenden Straßenseite des Gymnasiums. Die Oberschule ist nur ein paar Gehminuten entfernt. Zehn bis 15 Jugendliche nutzen den Treffpunkt regelmäßig, ehe ihr Bus nach Hause in die umliegenden Orte fährt. Manchmal nehmen sie einen späteren. Auch der Busbahnhof ist quasi um die Ecke. Was für den einen die Kirche im Dorf bedeutet, ist den jungen Belzigern der „Laden” vor Ort. Der zuvor lange leer stehende Imbiss hat sich zur Schnittstelle entwickelt.
Fotos vom reformatorischen Arbeitseinsatz kleben noch mit Kreppband an den Wänden – in Kürze sollen sie gerahmt werden. Eine Chronik. Auf einem Bild streicht Katharina Kautz mit einer Farbrolle eine rosa Masse auf die alten Imbiss-Kacheln, für den Trockenbau. Die Trockenbauplatten sponserte den Belzigern ein regionaler Handwerksbetrieb. „Ein Kunde hatte die nicht abgeholt, da hat er sie uns gegeben”, erinnert sich André Schulze, einer derjenigen, die sie entgegennahmen. André kümmerte sich auch um den Einbau von Waschbecken und WC, er schwang den Pinsel, spachtelte, schraubt, dübelte, er war dort, wo eine Hand gebraucht wurde.
Über ein halbes Jahr hat sich die Renovierung gezogen, obwohl die Jugendlichen sogar „in den Freistunden oder nach der Schule rüberkamen”, erinnert sich Katharina, um „eine Tür abzuschleifen oder die Decke zu streichen”. Insgesamt, schätzt CVJM-Jugendarbeiter Jan Schneider, „waren 40 Personen im Einsatz, auch Erwachsene.” Sein Bruder, von Beruf Tischler, reiste zur Unterstützung sogar aus Baden-Württemberg an. Die Materialkosten, die Miete, sowie das Geld für die Einrichtung, kamen aus mehreren Fördertöpfen, den größten Anteil finanzierte die Aktion Mensch. Vom Küchenbauer abgesehen, dessen Einsatz bezahlt wurde, arbeiteten alle ehrenamtlich. „Dass die Jugendlichen schulisch dermaßen eingespannt sind, war mir vorher nicht so bewusst”, ergänzt der „Hausherr”. Jan Schneider hat auch sein Büro in den „Laden” verlegt, um ansprechbar zu sein.
Denn nach der äußerlich-optischen Reformation, kommt die inhaltliche. Heißt: Angebote und Themen vorschlagen oder selbst umsetzen. „Bevor jeder bei sich zu Hause sitzt und zockt”, findet Jan Schneider. André Schulze nickt, sagt aber auch:
„Bisher läuft es überwiegend so, dass Jan die Angebote macht und wir sagen ja oder nein.”
Bad Belzig liegt 40 Kilometer nordwestlich von Lutherstadt Wittenberg, dadurch wirft das Großereignis 500 Jahre Reformation 2017 seine Schatten bis ins südliche Brandenburg voraus. Reformations-Hinweistafeln werden in der Stadt angebracht, der Ortsteil Brück gedenkt Gregor von Brück, des sächsischen Kanzlers unter Kurfürst Friedrich dem Weisen. Dementgegen ist die Hälfte der Jugendlichen, die in den „Laden” kommen, nicht konfessionell gebunden. Die regionale Jugendarbeit vermittelt dennoch Werte, die Luther und sein Team angestoßen haben: Gemeinsam gestalten, demokratisch entscheiden, seine Meinung sagen. Und: „Dass sich jeder bildet, ist für mich die wichtigste Folge der Reformation”, meint André. Katharina ergänzt: „Mit dem Buchdruck wurde parallel eine Revolution in den Medien in Gang gesetzt. Auch das ist Teil unseres Alltags.”
Fotos: CVJM Bad Belzig (5) / Tanja Kasischke