„Der Präsident hat sich im Datum vertan“

Am Morgen des 21. Januar liegen die Temperaturen im zweistelligen Minusbereich. Laura Ballas entscheidet sich trotzdem gegen eine Mütze, obwohl der Anlass danach verlangt, einen pinken, gestrickten Pussyhat zu tragen. Die 18-Jährige aus dem Küstenort Brunswick im US-Bundesstaat Maine ist an diesem Morgen mit ihrer Mutter Debbie auf den Weg in das größere Augusta, zum Womens‘ March für Frauenrechte, Gleichberechtigung und gegen die diskriminierende Haltung des tagszuvor im Amt vereidigten, 45. US-Präsidenten Donald Trump. Augusta ist einer von vielen regionalen „Ablegern“ des mit drei Millionen Teilnehmenden größten Protestmarschs in Washington D.C.; Pussyhats setzen Demonstranten landesweit auf. Die Wollmützen sind ihr Erkennungszeichen.

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Laura trägt stattdessen ein rotes Halstuch, als Haarband gefaltet. Dazu ein blaues Sweatshirt unter ihrer Winterjacke. Inspiriert hat sie das Bild der Schweißerin „Rosie“, in den Vereingten Staaten eine Werbeikone des Feminismus, ein Symbol für die zupackende Frau. Sie wisse jedoch, dass „Rosie“ zu ihrer Zeit gar nicht so selbstbestimmt war, sagt die Studentin: „Das Bild entstand 1942, während des Krieges. Die Männer, die als Soldaten einberufen worden waren, fehlten in den Fabriken. Die Rosie-Kampagne war ein Appell an die Frauen, ihren Platz einzunehmen, zusätzlich zu Haushalt und Kindererziehung.“ 75 Jahre später ist Laura dennoch überzeugt:

„Seitdem hat sich die Rolle der Frau verändert. Ein Bewusstsein aller für Gleichberechtigung entstand, im Beruf und in der Gesellschaft. Es gibt keinen Bereich, in dem Frauen nicht mit Männern gleichziehen können. Wenn ein Präsident dem widerspricht und Frauen auf ihre äußere Erscheinung reduziert, ist das, als ginge er in der Geschichte zurück. Da hat er sich im Datum vertan.“

rosieMutter Debbie sieht es ähnlich. „Macho-Sprüche verbieten wir uns“, erklärt sie an die Adresse des Staatsoberhaupts. „Wir führen Männer auch nicht vor.“ Laura hat ein Schild zur Demo mitgebracht. Fight like a girl, kämpfe wie ein Mädchen, steht darauf. Debbie fasst mit an, sagt aber auch: „Ich möchte nicht nochmal bei Rosie anfangen. Oder noch früher in der Geschichte. Bei null womöglich.“ Die Tochter entgegnet: „Darum sind wir doch hier.“

Abigail Swartz ist ohne ihre Tochter gekommen. „Sie ist erst sechs Jahre alt. Aber ich bin auch ihretwegen hier“, sagt die Mutter. Ihren Pussyhat hat Abigail selbst gestrickt. Gleichberechtigung sei kein befristetes Gut, sondern ein universeller Wert, für dessen Gültigkeit jede Generation Sorge tragen muss. Solange die Tochter (zu) jung ist, zeigt deshalb die Mutter Flagge. Noch am selben Wochenende erstellt die Grafikerin die Zeichnung einer farbigen Frau in der Pose der Schweißerin Rosie. Sie trägt einen Pussyhat. Abigail Swartz schickt das Bild an das New Yorker Magazine. Zwei Ausgaben später ist es auf dem Titel.

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