Wir sind (wie) Käthe: Gute Jobaussichten

Erst wollte sie nicht, dann musste er überredet werden: Die Ehe von Martin Luther und Katharina von Bora ist ein Stoff mit mehr als einer Lesart. War „Käthe“ so fortschrittlich und selbstbewusst, wie sie häufig dargestellt wird? Vielleicht! Vielleicht auch nicht und es ist die heutige Sicht, die Luthers bessere Hälfte als Managerin eines mittelständischen Familienunternehmens und als Vorkämpferin der Emanzipation darstellt. Auch, um junge Menschen neugierig zu machen, etwa durch eine emanzipierte Bühnen-Katharina. Als sei bei Luther nicht schon genug Theater gewesen. Zwei Varianten erzählen davon, zunächst „Frau Luther. Lass uns heute die Welt verändern.“ Made in Hameln.

(Wie alles begann.)

Stefan: 2017 ist Reformationsjubiläum! Da will ich auch irgendwas zu Luther machen. Fragt sich bloß, wie ich das Thema auf unsere Theatergruppe Beber zuschreibe, von 20 jungen Leuten sind nur fünf männlich. Das wird schwierig mit der Besetzung der Rollen. Die Reformation war männerlastig, Theater spielen mehr Frauen – das ist wie bei uns Zuhause. Da bin ich der einzige Mann neben drei schauspielbegeisterten Frauen. An den Mädels führt kein Weg vorbei. Hätte Luther damals nicht seine Käthe gehabt, dann — das ist es! Ich schreibe ein Stück über Frau Luther! Das lässt sich gut besetzen. Da komme ich auf viele weibliche Rollen. Katharina von Boras Leben ist noch nicht so bekannt wie das Martin Luthers. Ich muss mich auch erst mal einlesen.

(Ein Jahr und 3000 Seiten weiterführende Literatur später ist das Stück fertig.)

frauluther1Johanna: Ich spiele Katharina von Bora zwischen ihrem 15. und 46. Lebensjahr, das ist die Zeit von ihrer Weihe zur Ordensfrau bis zum Tod Martin Luthers. So detailliert wie durch Stefans Stück habe ich ihr Leben zuvor nicht gekannt: Die Jahre im Kloster in Obhut ihrer Tante Lene, die heimliche Flucht zusammen mit elf anderen jungen Nonnen, die sich der Reformation anschließen, Katharinas Freundschaft mit Barbara Cranach, der Frau des Malers Lucas Cranach. Im Schulunterricht spielt die Reformation keine große Rolle.

Mir gefällt der Wandel, den Katharina durchläuft und den ich auf der Bühne zeigen darf; vom zurückhaltenden Mädchen zur selbstbewussten erwachsenen Frau, die sich das Denken nicht verbieten lässt.

Ihre Veränderung merkt man dem Text an, zunächst hat Katharina wenig zu sagen. Je älter sie wird, desto mehr Sprechanteile hat sie im Stück.

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Johanna Abend (21) als Katharina von Bora, hier bereits aus dem Kloster ausgerückt.

Stefan: Gemessen daran, dass ihr Alltag im 16. Jahrhundert wirklich völlig anders war als unserer – die Sprache, die Gesinnung der Menschen – wusste Katharina schon sehr genau, wo sie hinwill.

Johanna: Ich wollte zum Theater, weil ich dann dasselbe Hobby haben würde wie meine beste Freundin. Seitdem sind 13 Jahre vergangen, meine Freundin hat längst wieder mit dem Theaterspielen aufgehört. Als ich zum ersten Mal auftrat, bin ich vor Aufregung fast gestorben. Bei ihrer ersten Begegnung in Wittenberg, nachdem Katharina aus dem Kloster abgehauen ist, findet Martin Luther sie verstockt. Vom Gefühl her ist das ein vergleichbares Fiasko.

Katharina ist nicht bewusst, dass sie alles mitbringt für ihre spätere Aufgabe.

Sie ist bestens ausgebildet, kann Lesen, Schreiben, spricht Latein, sie ist gut in Mathe und hat als Braumeisterin einen berufsqualifizierenden Abschluss im Kloster erhalten. Ich bin gelernte Industriekauffrau und arbeite im Personalwesen. Das Theater ist ein Hobby, das mir Selbstvertrauen gibt.

Stefan: Katharina gewinnt Selbstvertrauen aus der Freundschaft zu Barbara Cranach. Die stellt klar, dass die Ehe ein Wirtschaftsunternehmen ist und sie genau darauf ein Augen haben soll, wenn sie Martin Luther heiratet. Katharina kann das praktisch umsetzen, dort wo ihr Mann zu träge ist.

Dass Luther liberal interpretiert wird, liegt meiner Meinung nach an seiner Unfähigkeit, zu entscheiden. Aber Katharina managte alles.

Auch wenn das eine moderne Deutung ist und historisch nicht eindeutig zu belegen, finde ich sie realistisch. Ich würde Katharina aus heutiger Sicht – weil ich selbst Wirtschaftwissenschaften studiert habe und als Ökonom arbeite – auf jeden Fall einen Job geben!

Johanna: In einer Szene des Stücks kauft sie einen Garten. Martin Luther muss den Vertrag unterschreiben, dabei hat Katharina den Handel längst perfet gemacht. Kommt mir bekannt vor, das ist in meiner Beziehung genauso – und den Luther spielt auch noch mein Freund. Den Text der Szene zu lernen, fiel uns nicht schwer. Wir sind wir selbst.

Stefan: Tatsache, das kenne ich auch von Zuhause.

Die Frau macht den Vorschlag so, dass der Mann ihn für seine Idee hält. Und er stimmt natürlich zu.

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Auf die Plätze, fertig – los: Johanna Abend und Torben Holle (M.) spielen die Luthers – und fühlten sich in einigen Schauspielszenen sehr an die eigene Beziehung erinnert. Autor Stefan Zawilla (r.) übrigens auch an seine Ehe!

Johanna: Reformation ist ganz aktuell. Sehr ihrer Zeit verpflichtet empfinde ich Katharina wiederum, wenn sie nach Luthers Tod alle Entscheidungsgewalt verliert, einen Vormund bekommt und nichts mehr allein regeln darf. Da bin ich ausgesprochen froh, dass Frauen 500 Jahre später so selbstbestimmt leben. Zumindest bei uns. Das fängt bei den gleichen Chancen im Bildungssytem an.

Mein Anspruch an das Jahr 2017 und was sich ändern sollte in unserer Welt wäre: Jeder und jede soll die Chance auf Bildung bekommen.

Stefan: Ich finde auch, dass es die aktuelle Lage, in der sich unsere Welt befindet, notwendig macht, über Reformation und Wandel zu sprechen. Egal, in welcher Rolle.

Fotos: Privat

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