Reformation ist überall, wo sich etwas ändert – und ein fester Bestandteil „unseres Lebens im Spannungsverhältnis zwischen Anerkennung und Ablehnung“, sieht es Fritz Koop, einer von 23 jungen Menschen, die im Aufsatzband „Lebenswichtig. Luther 5.0“ zu Wort kommen. Fritz schreibt neben dem dualen Studium für ein Onlinemagazin, dadurch stieß er auf das Reformations-Buchprojekt der Konrad-Adenauer-Stiftung. „Mir war sofort klar, dass ich einen Text zum Thema Berufswahl schreibe“, schildert er, „da mir als jungem Arbeitnehmer bewusst geworden ist, welchen nicht nur zeitlichen, sondern vor allem identitätsstiftenden Wert Arbeit in meinem Leben hat.“ Sich vorzustellen, überlassen wir ihm selbst. Im Anschluss an Fritz‘ Beitrag folgt – Fritz‘ Beitrag!
Mein Name ist Fritz Koop, ich bin 23 Jahre alt und in Aachen aufgewachsen. Nach dem Abitur habe ich eine Ausbildung zum Steuerfachangestellten gemacht. Nun studiere ich Steuerrecht. Mittlerweile lebe ich in Stuttgart und in Überlingen am Bodensee. Als geborener und passionierter Rheinländer verlief meine Eingewöhnung im Schwabenland besser als erwartet.

Meine Mutter ist evangelisch, mein Vater katholisch. Mich haben sie evangelisch getauft. Konfirmiert bin ich auch. Meine Konfirmandenzeit habe ich in guter Erinnerung. Schade fand ich, dass während meiner Schulzeit eine offensichtliche Mauer zwischen meinen katholischen Mitschülern und uns evangelischen Schülern, sowie den konfessionslosen und anderen Religionsangehörigen gezogen wurde.
Das Abitur würde alles ändern, soviel war klar. Oder auch nicht. Als Schüler macht man sich weniger einen Kopf, was kommt. Nämlich das: Meine Berufswahl habe ich als lebensbestimmende Entscheidung empfunden. Mein Opa sagte immer, das Leben eines Menschen bestehe aus zwei Säulen: Beruf und Familie/Freunde. Nach dem Abitur wurde mir schlagartig (und auch schmerzlich) bewusst: Alle meine Bemühungen an mir selbst – durch Ausbildung oder Studium – würden früher oder später in einer Erwerbstätigkeit enden.
Wenn ich meine Generation mit den Generationen vor ihr vergleiche, müssten wir die glücklichsten jungen Menschen sein, die jemals auf dieser Welt gewandelt sind. Vielfalt ist eine tolle Sache – in der Theorie!
Noch nie konnten wir bequem von zu Hause aus via Internet aus einer schier unfassbaren Fülle an Studienfächern, Praktika und Jobmöglichkeiten wählen und uns per Knopfdruck oder Mausklick sofort darauf bewerben. Noch nie war es so egal, welche Herkunft oder Hautfarbe jemand hat. Die Vielzahl der Möglichkeiten schmälerte nichts dergleichen. Doch genau darin bestand das Problem meiner Generation:
Mit der Vielfalt bei der Berufswahl ist es wie mit Netflix: Wir fühlen uns erschlagen von der Fülle an Filmen und Serien. Die Vielfalt macht es uns schwerer, uns festzulegen.
Die – richtige – Auswahl zu treffen, ist ein Problem. Ein Luxusproblem. Aber ein Problem. Haben wir uns endlich entschieden, bekommen wir die ersten Minuten des Films kaum mit, weil in unseren Köpfen die Frage auftaucht:
Gab’s da nicht noch was Besseres? Verschwende ich gerade meine Zeit?
Die sozialen Netzwerke setzen den Druck noch weiter hoch. Der einen Moment lang mit dem Smartphone konservierte und mit zahlreichen Filtern überlegte Fake wird in unseren Köpfen schneller Realität, als uns manchmal lieb ist. Jeder von uns wirft auf Facebook und Co. seine Eigenvermarktungsmaschine an und versucht, mit seinen „Freunden“ nur die spannendsten Momente zu teilen. Wir wetteifern um Likes und Anerkennung und setzten uns dabei enorm unter Druck, zu liefern, mithalten zu können. Ein cooles Studium oder ein cooler Job bringen auch unser Facebook-Ich zum Glänzen.
Ich finde es kommt darauf an, wie man Medien nutzt. In einer globalisierten, mobilen Welt machen soziale Medien einfach und ziemlich komfortabel Distanzen zwischen persönlichen Beziehungen vergessen. Trotz tausender Kilometer Entfernung vom Freundeskreis verschaffen sie uns das Gefühl, dabei zu sein. Up to date. Das ist eine tolle Sache, wenn sie nicht zum Ersatz der realen Welt gemacht wird, weil die häufig weitaus komplizierter und anspruchsvoller ist.
Facebook kann eine sinnvolle Ergänzung sein oder zu einer raumeinnehmenden, vollkommen am realen Leben vorbeigehenden Beschäftigung, werden.
Meine Ausbildung brachte mich schonungslos mit der Realität in Kontakt. Das war gut. Ich habe gelernt, meine Gedanken nicht in die entlegensten und abenteuerlichsten Ecken der Berufswahl zu lenken. Ich habe gelernt, den Begriff Arbeit zu definieren, und mich jeden Monat ein Stück mehr dem Boden der Tatsachen genähert. Mir ist klargeworden, dass man seine Träume und Wünsche auf Realitätsniveau stutzen kann, ohne sie aus dem Fokus zu verlieren. Meine Eltern haben mich durch behutsam gestellte Fragen zum Nachdenken über meine Zukunft angeregt. Wo es nötig war, haben sie meine vielleicht zu emotionale Herangehensweise ersetzt durch rationale Sichtweisen, wofür ich ihnen im Nachhinein wirklich dankbar bin. Vor allem haben sie mir eins klargemacht: Der Weg zum Traumjob verläuft in den seltensten Fällen linear.
Berufswahl passt zum Thema Reformation, weil man sich ihr stellt, wenn man jung ist. Für mich als jungen Menschen gehört Veränderung zum Alltag.
500 Jahre Reformation, das Ereignis würde ich jemandem, der sich gar keinen Reim darauf machen kann, am besten damit erklären, dass wir die Geburtsstunde der Bibel feiern, wie wir sie heute kennen. Dass dadurch die Grundlage des Glaubens für jeden Christen neu geschaffen wurde. Zuvor war er abhängig gewesen von den Interpretationen der Kirche. Mit Luthers Bibelübersetzung ins Deutsche konnte sich jeder Mensch ein eigenes Bild vom Glauben machen und eine Meinung bilden, auch kritisch. Das gilt bis heute. In der Kirche, in der Gesellschaft, in der Politik, im Alltag. Es verbindet sie mit dem Anspruch, Wünsche und Wirklichkeit im Leben möglichst so unterzubringen, dass man sich selbst treu ist. Den persönlichen direkten Zugang zum Glauben finde ich einfach unglaublich wichtig, um bestehen zu können.
Hier geht es zu Fritz Koops Text, entnommen dem Buch: „Lebenswichtig. Luther 5.0
Gedanken junger Menschen und Martin Luthers“, hg. von Clemens Bethge, Marion Gardei, Bernd Krebs und Marcus Nicolini; mit einem Geleitwort von Bischof Markus Dröge, Ev. Landeskirche Berlin-Brandenburg-schlesische-Oberlausitz; Verlag Hentrich & Hentrich Berlin, 156 Seiten gebunden, 14,90 Euro; ISBN 978-3-95565-176-3
Fotos: Privat / Flickr (6)