Große Ereignisse passen nur in große Autos. Franzi, Julia, Tobias und Maren wählten für ihr Projekt „Luther on tour“ einen Sprinter. Ein Pkw war zu klein gewesen, denn ein Mitglied der Reisegruppe war nicht ganz so beweglich. Dafür nächtigte es bereitwillig im Wagen. 29 Tage lang reiste ein anderthalb Meter großer Playmobil-Martin-Luther mit den vier Jugendlichen durch Hessen, genauer: Durchs Dekanat Vorderer Odenwald, das von A wie Altheim bis W wie Wersau reicht. Unterwegs lauschten Luthers Mitfahrer einem Ständchen, erlebten Flüchtlinge in Selfie-Laune und einen Passanten, der glaubte, Darth Vader ohne Maske vor sich zu haben. Von einigen Begegnungen gibt es in Kürze Postkarten.
Die Tour sollte ein Mehrgenerationenprojekt sein, das – angeschoben von der Jugend – unterschiedliche Gruppen an unterschiedlichen Orten ansprechen und aufeinander stoßen würde; aufeinander und auf Luther. „Es sollte nicht nur einer was machen”, umreißt Informatikstudent Tobias Neidig das Ziel der Reise. Sondern viele. Daraus strickte das Quartett den Gedanken, „alle 40 Gemeinden des Dekanats zu besuchen und vor Ort je eine Gruppe einzubeziehen – egal, ob es 1A vorbereitet war oder die Menschen zurückhaltend auf das Jubiläum 2017 reagierten”, schildert Julia Lutz. Beide Sichtweisen waren zulässig, beide Standpunkte wurden einbezogen, ohne dass sie die Studierenden auf- oder abwerteten. Gesagt, getan. Wer noch fehlte, war Luther. Mit der sieben Zentimeter großen Ausgabe des Playmobil-Martins würden sie nicht weit kommen, merkten die Hessen bald: „So klein sagt der nichts aus. Und auf einem Foto stellt er nichts dar.” Denn ganz im Sinne der Reformation als Medienrevolution, wollten die jungen Macher ihr Projekt über soziale Netzwerke dokumentieren und teilen. Groß rausbringen.
Unterstützung kam aus dem evangelischen Medienhaus Frankfurt am Main, das einen Anderthalb-Meter-Luther als Türöffner für das Reformationsjubiläum besitzt und bereit war, ihn für vier Wochen in den Odenwald zu schicken. Die Begeisterung der Jugendlichen wich zunächst Ernüchterung, „denn die Holzkiste, in der die Figur geliefert wurde, war extrem schwer und schlecht zu transportieren, obwohl sie Rollen hatte”, erinnert sich Tobias. Gemeinsam beschlossen Julia, Maren, Franzi und er deshalb, Luther samt Box an Bord eines Kleinbusses zu nehmen. Die Schreibfeder und die Playmobil-Ausgabe des neuen Testaments, die der Reformator im Gepäck hatte, lagerten seine Mitfahrer separat. „So sind wir zu den Treffen gegangen: Einer trug Luther, einer die Feder, einer die Bibel.” Der vierte Mann oder die vierte Frau suchte einen Parkplatz für den Bus. Ihn hatte das Dekanat gestellt.
Wer hat Angst vorm schwarzen Ritter?
Gab es keine Lücke vor der jeweiligen Haustür, pilgerte der Trupp – Luther schulternd – durch den Ort, verfolgt von belustigten Mienen und erstaunten Blicken. Tobias berichtet: „Wir haben die Menschen durchaus mal angesprochen und gefragt, ob sie eine Idee hätten, wen die Figur darstellt.” Die Antworten reichten von Schulterzucken über „das könnte Martin Luther sein” bis zu „Darth Vader, der ohne Maske unterwegs ist”, wie ein Mann prompt erwiderte und seine Beobachtung am langen Umhang festmachte. Angst vor dem vermeintlichen schwarzen Ritter hatte er nicht.
Ohne Tipp, dafür hellauf begeistert, bestürmte eine Gruppe junger Flüchtlinge den Playmobil-Luther, „umarmte ihn, machte Selfies und stellte ihn mit zu sich an den Tischkicker”, erzählt Julia. Die Pharmaziestudentin hat den für sie besonderen Moment ebenfalls auf einem Foto festgehalten. Weil die Flüchtlinge darauf aber minderjährig sind, wird dieses Motiv unveröffentlicht bleiben.
41 Gruppen aus 17 Gemeinden beteiligten sich an der Aktion. Sie empfingen die Gäste mit einem Ständchen, mit Luther-Cocktails, einem Rollenspiel oder – wie in einem Fall geschehen – freundlich, aber fragend:
„Martin Luther, was hat der mit uns zu tun?”
Julia fasst die Begegnung zusammen: „Jemand machte den Vorschlag, dass wir uns einfach an einen Tisch setzen, diskutieren, und Luther einen freien Stuhl anbieten.” Der Reformator schloss den Kreis, so wurde es gemacht und brachte die Botschaft der Reformation – das Miteinander – damit eigentlich ganz gut rüber, finden Tobias und Julia. Darüber hinaus hat die Tour die Jugendlichen zu Brückenbauern zwischen Gemeinden gemacht:
„Da haben sich Gruppen zusammengetan, die alleine zu wenig Leute waren, nun aber zusammen ein Projekt machen.”
900 Fotos haben Julia, Franzi, Maren und Tobias in den 29 Tagen geschossen. Eine Auswahl an Motiven lassen sich als Postkarten drucken. Die werden verteilt, auch an die, denen der Besuch zu spontan gewesen war. Sie gehören trotzdem dazu. Weitere Motive werden ausgestellt, wieder andere zu einem Mosaik gepuzzelt, das im Gesamtbild Luthers Kopf zeigt und 2017 das Dekanatslogo sein wird. Ein Erkennungszeichen für alle. Tobias meint:
„Die Menschen identifizieren sich stärker mit dem Thema Reformation, wenn sie direkt einbezogen werden.“
Er hofft, „dass 2017 noch nicht alles war” und die Botschaft weiter wirke. Julia gesteht, dass sie durch die Tour „persönlich viel dazu gelernt hat. Damit, wie Reformation im Schulunterricht vermittelt wird, ist das nicht zu vergleichen.”

Fotos (6): Evangelische Jugend Vorderer Odenwald / Privat